Jeder Künstler träumt von der Macht. Von der Macht über den Zuschauer, von der Macht, die das Leben des Menschen vom Grunde aus verändert.
Richard Whitehurst hat einen ähnlichen Traum und will es mit seinem Projekt "The Rape Tunnel" realisieren. Ja, werte Leser, Ihr liest es richtig: "Ein Vergewaltigungstunnel".
Die Essenz des Projekts besteht darin, dass die Zuschauer, die diesen Tunnel zu betreten wagen, werden am Ende dieses Tunnels vergewaltigt, vom Künstler höchstpersönlich.
Sheila Zareno aus dem Blog artlurker, der sich mit der modernen Kunst beschäftigt, hatte Glück gehabt, mit dem Künstler selbst ein Interview zu machen.
Ich versuche nun einige Fragmente des Interviews "in mein geliebtes Deutsch zu übertragen", wie es Faust einst sagte. Also, für Übersetzung hafte ich nicht.
artlurker. Bitte beschreiben Sie doch das Projekt.
Richard Whitehurst. [...] Ich konstruierte in der Eingangshalle der 4D Gallery in Columbus einen ca. 6 Meter langen Tunnel aus Sperrholz. Der Tunnel führt in den Projektraum. Während Sie diesen Tunnel passieren, wird es immer kleiner und enger, so dass Sie am Ende kriechen müssen und eine demütigende Haltung halten, um das Ende des Tunnels zu erreichen. Am Ende des Tunnels, also im Projektraum angekommen, findet der Zuschauer mich, den auf ihn wartenden Künstler, wieder. Und ich tue mein Bestes, den Zuschauer mit Geschick zu überwältigen und zu vergewaltigen.
artlurker. Warum Vergewaltigung?
Richard Whitehurst. Weil dies meiner Meinung nach eine der eindrucksvollsten künstlerischen Gesten ist. Bereits seit zehn Jahren hat sich die Künstlerszene in Ohio um Akron's Shopping-Viertel gegründet, Leute präsentierten ihre eigene Kunst. Anfangs nahm ich daran mit Vergnügen teil, doch mit der Zeit überkam mich das Gefühl, das Ganze führe ins nirgendwo, sei irgendwie sinnlos. Mir schien, dass, wenn wir auch nie unsere Kunst kreiert hätten, wäre die Welt nicht anders gewesen. Ich wollte etwas schaffen, was wie ein Aufprall wirkt.
So begann ich, über meine Kunst differenzierter nachzudenken. 2007, beim Seward Project Space in Columbus, kam es zu meinem künstlerischen Durchbruch mit der Installation, die als Prototyp für diese eine wirken könnte. Ich nannte es THE PUNCH-YOU-IN-THE-FACE TUNNEL (Der Schlag-Dich-Ins-Gesicht-Tunnel). Es war technisch gleich konstruiert wie "The Rape Tunnel" mit dem Unterschied, dass am Ende des Tunnels ich stand und alle zu meinem Standort angelangten Zuschauer ins Gesicht schlug, anstatt sie zu vergewaltigen. Diese Geste war komplet reaktionär zur gegenwärtigen Kunstsituation und war durch eine reine Frustration motiviert.
So sollte es geschehen, dass eine Person, die durch die Tunnel kroch, und der ich ihre Nase brach, eine aufsteigende Model war. Sie kam ins Krankenhaus und hat mich verklagt. Denn ihre Karriere als Model war aufs Eis gelegt. Der Zivilprozess war langwierig und kompliziert, und hat bis jetzt zu keinem Ergebnis geführt. Zu diesem Tag bleiben ihre Krankenkosten unbezahlt. Der Pointe dieser langen Ausführung besteht darin, dass alle diese Geschehnisse bereits zwei Jahre zurückliegen, doch meine Kunst hat immernoch eine immense Auswirkung auf das Schicksal der jungen Dame, eine Tatsache, die nicht jeder Künstler über sein Werk behaupten kann.
Die Vergewaltigung verstand ich als eine weitere logische Entwicklung der Idee.
artlurker. Begrüssen Sie hiermit den Vergewaltigungsakt?
Richard Whitehurst. Keineswegs. Ich persönlich halte diesen Akt verwerflich, so etwas darf in unserer Gesellschaft nicht passieren. Die meisten Leute sind da solidarisch mit mir, was mich wiederum zum Verwenden dieses Aktes in meiner Kunst veranlasst. Stöße dieser Akt nicht auf eine zurückweisende Haltung seitens Zuschauer, würde mein Werk nicht funktionieren. [...]
Das Problem der modernen Kunst besteht darin, dass die Welt ihre Werke weder braucht, noch wünscht. Es gab schon so viele Versuche, die Welt mit der Kunst auf eine weniger ausdrucksvolle Art und Weise zu verändern. Ich bemühe mich jedoch, die Wichtigkeit der Kunst für die Welt vollständig umzuarbeiten und mit Sinn zu füllen. Der Prozess wird lange Zeit dauern. Ich weiss nicht wirklich, welcher nächster Schritt es sein wird. Ich versuche mich eher an meinem derzeitigen Projekt zu konzentrieren.
Das Interview schlug wie ein Meteor ein, es kam eine grosse Welle der Proteste und Empörung durch die Medien.
Und Artlurker reagierte darauf bald mit einer Offenbarung:
Viele müssten das Tohuwabohu um den gestrigen Beitrag bemerkt haben. Wir möchten die vielzähligen Fragen beantworten und unsere Idee erklären.
Unsere Absicht bei der Veröffentlichung von "Der Vergewaltigungs-Tunnel" bestand darin, die Konversation über die Zustände der Kunst mit einer Funke zur Explosion zu bringen, und zwar mit dem Beitrag über einen frei erfundenen Kunstprojekt. [...]
Als der Autor das Thema des "Vergewaltigungs-Tunnels" aufgriff, haben wir es gemocht, auch wenn es ein äusserst sensitives Thema ist. Doch unsere Motivation zur Veröffentlichung bestand nicht im Vergewaltigungsakt selbst, sondern als ein Kommentar zur zeitgenössischen Kunst.
Wir wissen nichts über die Intentionen des Autors, doch unsere Absichten waren einfach: eine Diskussion über die gegenwärtige Kunst zu initiieren, die sich um einen heutzutage nicht mehr so unrealistisches Werk dreht.
[...]
Der anonyme Autor des Beitrages möchte sich doch namentlich bekannt machen. Er ist niemand anderer als Victor Barrenechea, der Ko-Autor von ARTLURKER, dem wir natürlich zu seinem Fortschritt gratulieren möchten. Er sagte "Ich schrieb über "The Rape Tunnel" im Geiste der Radiosendung "Krieg der Welten" von Orson Welles. Das Thema meines Artikels war, wie bereits oben erwähnt, nicht die Vergewaltigung, sondern die gegenwärtige Kunst. Der Charakter ist eine Fiktion, die Geschichte ist Fiktion... kurz, alles ist Fiktion"
Und diejenigen, die sich über die seltsame Konstruktion des Tunnels wundern, hier ist die Auflösung:
Es ist ein Windkanal. Hier die Originalseite: http://www.geversaircraft.com/wt/wt5x7.htm
via HTMLGiant (wie immer halt) :-)
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